Szenisch-musikalischer Abend zum berühmtesten Hexenprozess in Pommern
Die pommersche Adlige Sidonia von Borcke (1548-1620) gilt als die berühmteste Person, die auf dem Gebiet des heutigen Mecklenburg-Vorpommerns als Hexe hingerichtet wurde. Ihr Fall hinterließ ein Konvolut aus mehr als tausend Seiten Prozessakten, welche heute noch einen tiefen Einblick in die problematische Biografie und streitbare Persönlichkeit Sidonias geben. Gleichzeitig zeugen sie von den sozialen und juristischen Strukturen ihrer Zeit.
Die Frühe Neuzeit war geprägt von gesellschaftlichen und religiösen Umbrüchen aber auch von allgemeiner Verarmung, verursacht durch längere Kälteperioden, Missernten und Kriege. Eine Atmosphäre der Angst und Unsicherheit führte zur Suche nach Schuldigen, die oft als gegenseitige Denunziation unter Nachbarn und auch innerhalb von Familien stattfand. Die Opfer waren mehrheitlich Frauen, deren Rechte im patriarchalen System stark eingeschränkt waren. So kann man mit Recht behaupten, dass Sidonia von Borcke, die aus einem alten pommerschen Adelsgeschlecht stammte, ein Opfer ihrer männlichen Familienmitglieder wurde.
Sidonias Schicksal, das 1620 auf dem Scheiterhaufen vor den Toren Stettins endete, sorgt seither für Aufregung und ungebrochenes Interesse unter Künstlern, Nachfahren und Historikern. Es brachte bis in unsere Tage diverse Romane, Theaterstücke, Bildnisse und historische Abhandlungen hervor. Dabei reichen die Interpretationen ihrer Persönlichkeit von unschuldig-edel bis mondän-hochmütig, von mitleiderregend bis verachtenswert. Doch wer war diese sagenumwobene Frau, der man posthum die radikale Auslöschung des pommerschen Herrscherhauses andichtete, wirklich?
Unser Abend spannte den Bogen zwischen den historischen Quellen der Prozessakten und den phantasiereichen Elaboraten der literarischen Nachwelt. Die Schauspielerin Katja Klemt in der Rolle von Sidonias Wiedergängerin sah sich mit beidem konfrontiert und verlieh den Texten ihre markante Stimme. Durch eine beeindruckende Kombination aus Schauspiel, Lesung, Musik und historischen Quellen entführte sie zusammen mit Musiker Benjamin Saupe und Robert Meyer am Theremin in eine Welt voll magischer Spannung, extremer Emotionen und neuer Erkenntnisse.
Es begann mit einer Idee: Sidonia von Borcke – eine weitere berühmte und historische Frau aus Vorpommern. Therese Altenburg und Henriette Sehmsdorf lasen Prozessakten, Biografien und Zeitberichte und entdeckten zahlreiche weitere Facetten dieser besonderen Frau mit einem tragischen Schicksal. Elisabeth Becker und Therése Altenburg besichtigten Szczecin und Marianowo. Schließlich stellten wir uns die Frage: War sie eine streitbare Adlige oder eine Klosterhexe? Für uns steht fest: Sie war eine (vielleicht nicht besonders umgängliche) Frau, die bis zu ihrem Tod für ihr Recht kämpfte.
Mit tatkräftiger Unterstützung von Katja Klemt, die sich bereits vor der Opernale intensiv mit dem Thema Sidonia beschäftigt hatte, wurde schnell klar, dass es keine klassische Lesung werden würde. Zur Opernale gehört Musik – und wer, wenn nicht Benjamin Saupe, wäre dafür unser Ansprechpartner? Und was passt besser zu einer außergewöhnlichen Geschichte als ein außergewöhnliches Instrument: das Theremin. Robert Meyer, der bereits bei unseren Dorfplatzständchen im Duo mit Benjamin am Klavier aufgetreten war, sagte begeistert zu. So kamen also Musikstücke und Szenenbilder hinzu. Immer mehr wichtige Inhalte fanden ihren Weg in das Stück, und plötzlich wurde aus der „einfachen“ Lesung ein szenisch-musikalischer Abend.
Wir sind beeindruckt vom großen Interesse des Publikums an diesem Thema. Alle fünf Veranstaltungen im Oktober und November 2024 waren ausgebucht, und jeder Stuhl war besetzt. Selbst in einer unbeheizten Scheune, wie in Klempenow, ließ sich das Publikum nicht abschrecken und brachte Decken und dicke Jacken mit. Die Akte Sidonia fasziniert die Menschen in Vorpommern nach wie vor.
Sidonia von Borcke: Katja Klemt
Thereminist: Robert Meyer
Piano und Schauspiel: Benjamin Saupe
Inszenierung: Henriette Sehmsdorf
Sa, 19. Oktober 2024 – 19 Uhr Kaminzimmer im Historischen Rathaus Wolgast, Rathausplatz 10, 17438 Wolgast
So, 20. Oktober 2024 – 17 Uhr Kloster Ribnitz, Im Kloster 1-2, 18311 Ribnitz-Damgarten
Fr, 8. November 2024 – 18 Uhr Burg Klempenow, Klempenow 15, 17089 Breest BITTE WARM ANZIEHEN
Sa, 9. November 2024 – 17 Uhr Gutshaus Groß Schoritz, Zur Schoritzer Wieck 68, 18574 Groß Schoritz
So, 10. November 2024 – 17 Uhr KUNSTRAUM-ZIETHEN, Dorfstraße 9, 17390 Ziethen
Karten: 15 €/10 € Reservierung unter 038333-88512 oder karten@opernale.de.
Restkarten an der Abendkasse ab einer Stunde vor Vorstellungsbeginn. Nur Barzahlung möglich.